Rettungsaktion

Rettungsaktion

von Hanno Goens

Lange ist`s her, wohl 1990, Frühjahr, als sich an der Wümme ein kleines Drama ereignete. Mein Bruder Arend und ich fuhren, vom KCH kommend, mit dem Fahrrad auf dem Kreuzdeich in Richtung Lilienthal, als wir bemerkten, dass über „unserem“ Gebiet der Wümme der Rettungshubschrauber „Christoph 6“ kreiste. „Was da wohl los ist?“ fragten wir uns, und: „ wenn sich da jemand auskennt, dann wir! Vielleicht können wir ja helfen“ Also machten wir kehrt und eilten zurück. Beim Bootshaus Bolte sahen wir sofort, dass dort der Einsatzort war. Ein offensichtlich stark betrunkener Mann mittleren Alters war trotz der kalten Temperaturen auf die andere Flussseite geschwommen und das schlammige Steilufer hinauf gekrochen. Auf der Bootsanlage stand seine Ehefrau und schrie abwechselnd Befehle und Beleidigungen. Der Mann gab Kontra. Dass sie die Ursache seiner Flucht war, ist reine Spekulation. Bereits vor Ort war die Polizei und ein Krankenwagen sowie einige Schaulustige. Im Moment unseres Eintreffens hatte der Hubschrauber gerade einen Notarzt aus zwei Metern Höhe neben dem Unglücklichen in den Matsch springen lassen und kehrte zu seiner Basis zurück. Die ebenfalls alarmierte Feuerwehr mit ihrem Gummiboot ließ noch auf sich warten.

Wir hörten mit wie ein Sanitäter die Ehefrau fragte „haben Sie nicht ein Ruderboot oder sowas?“ Darauf sie: „Viel zu gefährlich, treiben Sie sofort ab!“ Es war Niedrigwasser und praktisch keine Strömung. Da kamen wir ins Spiel. Wir erklärten den Sanitätern und der Polizei, dass wir in wenigen Minuten mit einem geeigneten Boot zur Stelle sein könnten. Da die Feuerwehr immer noch nicht in Sicht war, stimmten die Beamten zu. Wir flitzten zum Bootshaus, zerrten zu zweit den Hägar aus dem Schuppen, warfen einen Arm voll Paddel hinein und Paddelten so schnell es ging zum Ort des Geschehens. Dort angekommen stiegen zwei Polizisten und zwei Sanitäter zu, und wir setzten sie über. Der Trunkenbold war aber überhaupt nicht bereit zu kooperieren. Er trug oben rum nichts als einen Norweger-Pullover, der auf Grund der Nässe seine Größe verdoppelt hatte. Als der Polizist einfache Gewalt ausüben wollte und den Mann an eben diesem Pullover packte, verschwand er kurz ganz in dem Kleidungsstück um dann plötzlich aus einer der Öffnungen aufzutauchen. Nun stand er da mit bloßem Oberkörper und triumphierendem Blick. Auch das Drohen mit der „8“(Handschellen) beeindruckte ihn nicht. Seine Frau drehte am Rad. Nun endlich kam auch die Feuerwehr mit ihrem Boot. Das hatte ganz schön lange gedauert. Ertrinkender möchte man da auch nicht sein. Sie kamen also auch rüber, und ob es die schiere Anzahl der Personen war, die sich so nach und nach am Ufer eingefunden hatte oder die durch die Kälte einsetzende Ernüchterung bleibt offen. Jedenfalls nahm der Mann langsam Vernunft an und ließ sich ins Gummiboot bugsieren. Wir beide übernahmen wieder den Fährdienst, diesmal für den Hubschrauberarzt, zwei Sanitäter und einen Polizisten. Übrigens nahm keiner von ihnen ein Paddel in die Hand. Als wir fast drüben waren rief ein Beamter vom Steg, dass wir kurz inne halten sollten, damit er ein Foto zur Erinnerung machen konnte. Ich steuerte uns ins Halbprofil. Nach dem Aussteigen fragten wir, ob wir auch einen Abzug (ja, es wurde noch analog fotografiert) bekommen könnten. Den durften wir uns ein paar Tage später auf dem Revier auch tatsächlich abholen. Mit sinkendem Adrenalinspiegel paddelten wir dann zurück zum Bootshaus. Jetzt erstmal ein Kaltgetränk.